stadtfisch
Performance und Aktion bezeichnen im Allgemeinen eine
theatralische Vorführung ohne Mitwirkung des Publikums,
während stadtfisch die Zuschauer miteinbezieht.
Grundelemente sind: Rhythmus, Raum, Spontanität, Sprache,
Geräusch. Die visuell-akustische Erlebnisfähigkeit bildet
den Kern der künstlerischen Arbeit von stadtfisch.
Fortschritt birgt auch die Gefahr eines Fort-Schreitens, weg
von bisherigen Wahrnehmungsmustern in sich. Die digitale
Evolution täuscht darüber hinweg, dass zu ihrer Nutzung im
Sinne einer menschlichen Weiterentwicklung genau diejenigen
analogen Fähigkeiten kultiviert werden müssen, die sie
vorgibt zu ersetzen..
stadtfisch - Biographie Uwe Bastiansen
Uwe Bastiansen, Hamburg, Tonkünstler, Musiker und Filmemacher
die frühen Jahre
Nach seiner Kindheit entdeckte er als Jugendlicher das erste
Mal den Punk. Die Hochphase der Glamrock-Epoche war vorbei
und seine Ansichten änderten sich. Die Anfangszeit war von
"neuen" Bands und Künstlern geprägt. Erst war es der Spaß,
dann kam das Finden der Grenzen. Er entwickelte sehr schnell
seine eigene Definition "Kunst ist etwas anderes als die
‚Mona Lisa’". Geschichte war uninteressant geworden. Aber,
anders als im Klischee des Punks das "Jetzt", wurde das, was
noch kommen würde, das eigentlich Interessante für ihn.
Als Punk musste man als Erstes Musik ablehnen, in der
endlose Soli diverser Instrumente und endlos erscheinende
Lieder verharren. Also "Krautrock". Bands wie "Jane", "Guru
Guru" und "Can". Anders sah es aus mit "Kraftwerk".
Synthesizer waren im Kommen. Auch in der "Neuen Deutschen
Musik" (wohlgemerkt: nicht "Neue Deutsche Welle") gab es
eine Wirkung - insbesondere die Nutzung als Sequenzer
("DAF"). Dazu Texte wie in "Tanz den Mussolini" - direkt,
verwirrend und kurz. Und dazu gab es natürlich auch massive
Skandale durch diese Provokation. Konsequentes Handeln
beeinflusste seine musikalische Evolution nachhaltig.
Nach ersten unbeholfenen und naiven Versuchen entstand seine
erste, eigentliche Band. "Mask For".
Sie bestand aus ihm, Sänger Michael Seidler, dem ehemaligen
Schlagzeuger der Agit-Punk-Band "Slime", Stephan Mahler und
dem Bassisten Oliver Sander. Plötzlich gab es verrückte
Konzerte und die erste Veröffentlichung einer
Langspielplatte. Diese wurde zum größten Teil durch den
Verkauf der eigenen Instrumente finanziert. "Spex"-Autor
Michael Ruff schrieb über Mask For: "Sie schreiben Stücke,
keine Songs".
In Zusammenarbeit mit Guiseppe Gagliano und Lothar Mattejat
("Trash-Center Altona") wurde kurzfristig eine Galerie
namens "Mask For - Vision" eröffnet. In
einer Ausstellung wurden Unmengen entwerteter Geldscheine
"den Geiern zum Fraß vorgeworfen".
Mit dem Kennenlernen des New Yorker Politpunks Pete Missing
gab es eine weitere Variante: "Missing Foundation". Diese Band
verstand sich als eine Art der direkten, politischen
Opposition. Meinung wurde rausgeschrien, Trash und Chaos
sprengten jeglichen Rahmen. Daraus entstanden weitere
ungewöhnliche Verbindungen. So spielte er bei KMFDM (frühe Form des "Industrial")
und dem von Marc Chung ("Einstürzende Neubauten")
zusammengestellten Projekt eines Bassorchesters,
ausschließlich aus 7 Bassisten bestehend.
1987 gründete er mit Freunden ein eigenes Label "GAP-Records". Es war ein
weiterer Versuch, eine "Lücke" zu finden. Er verdingte sich
unter anderem als Tourmanager, wo er die schwedische Band
"The Leather Nun" kennen lernte. Daraus entstand eine
langjährige Partnerschaft mit dem Göteborger Gitarristen
Nils Wohlrabe. Eine ungewöhnliche Art des "Noise", in der
durch extreme Verzerrungen und wahre Feedback-Orgien das
"Durchschnittliche" durch Klänge veredelt wird.
1987 bis 2000
1987 kam es zum Neustart von "Mask For". Zusammen mit Nils
Wohlrabe, dem Gitarristen Frank Markendorf, dem Bassisten
Gisbert Kellersmann ("Abwärts")
und Harry Cain wurde ausgiebig durch Europa getourt.
1987 lernte Uwe Bastiansen auch Frank Ziegert, den Gründer
der experimentellen Punkband "Abwärts", kennen. Kurzerhand
stieg Uwe B. in die neue Abwärts-Formation ein. Außerdem
waren noch F.M. Einheit ("Einstürzende Neubauten"), Michael
"Elf" Maier ("Slime"), Jochen Hansen ("Rio Reiser") und
Frank Seele dabei. Es entstanden neben provozierten
Skandalen (Totenkopf-Bunny; 100.000,-DM Unterlassungsklage
von "Playboy") auch eine Vielzahl von Tonträgern. Für das
1993 erschienene Album "Herzlich Willkommen im Irrenhaus"
schrieb er noch einige Stücke, stieg aber vor deren
Veröffentlichung aus.
Ende 1992 entstand stadtfisch
zusammen mit der Hamburger Künstlerin Irina Frederich, mit
der er bis heute immer wieder zusammenarbeitet, und immer
wieder neuen, wechselnden Besetzungen. So spielten in der
ersten Version neben Nils Wohlrabe der brasilianische
Bassist Ronaldo Nascimento und Heinz Lichius am Schlagzeug
erstmals Musiker aus dem Jazz- und Funkbereich mit. Es ergab
sich dadurch erneut eine Möglichkeit, verschiedene Kunst-
und Musikstile in ungewöhnlicher Form miteinander zu
verbinden.
Um diese Klänge in einem professionellen Studio festzuhalten
und zu bearbeiten, arbeitete Uwe Bastiansen im Hamburger
M.O.B.-Studio unter der Leitung von Horst Siewert aka "Blank
Fontana" als Toningenieur und Produzent. Zusammen mit ihm
ergaben sich weitere Möglichkeiten. Mit Siewert, dem
Künstler und Textautor Moishe Moser ("The Real Moi") und
Chrissie de Winter ("KMFDM") erweiterten komplizierte
Popklänge seinen Horizont. Bläser, klassische Instrumente
und eine ausgereifte Sampletechnik produzierten einen Sound
des soliden Pops.
Nebenbei spielte Uwe Bastiansen kurzzeitig bei "The Sisters of Mercy"
mit und fing damit an, Filmmusik zu schreiben. Als Beispiel
dafür gilt der Film der Regisseurinnen Veronika
Kirchgatterer und Isabel Skalska "Metallene Bilder". Ebenso
gab es die ersten ungewöhnlichen Performances. So spielte er
beispielsweise während einer Ausstellung mit einem, an einem
Gummiband über den Köpfen der Zuschauer "schwebenden"
Verstärker.
Er stieg auch in die Band "Station
17" ein, die fast ausschließlich aus körperlich
und geistig behinderten Menschen bestand. Es gab eine
Vielzahl von Konzerten in Europa. Das Publikum war anders,
als er es vorher kannte: andere Behinderte, deren Betreuer
und kulturell Interessierte ohne einen direkten Bezug zur
Musik. In dieser Zeit entstanden 2 TV-Dokumentationen, die
zum Ausdruck bringen, wie weit die "normale Welt" von der
"normalen Welt" der Behinderten noch entfernt ist.
2000 bis 2008
Er lernte den Schlagzeuger Muck Giovanett ("Happy
Grindcore") kennen. Beide wollten etwas anderes als die,
auch in alternativen Kreisen übliche und angesehene Musik
machen. Sie ignorierten mit voller Absicht den 4/4tel-Takt.
Dadurch, dass andere Musiker hierfür nicht zu mobilisieren
waren, drehten sie den Spieß um. Ein weiterer Stützpfeiler
war auch das Equipment. Sie benutzten keine Verstärker,
spielten instrumental und auch Monitorboxen waren nicht
nötig. Sie spielten einfach mit Kopfhörern, welches zu einer
extremen Unabhängigkeit führte. Einige Auftritte waren
"Kopfhörerkonzerte" - das Publikum musste einen Kopfhörer
aufsetzen, um die Musik zu hören. bagio spielte fast immer
NICHT auf der Bühne. Lieber in der Mitte des Publikums, in
Schaufenstern, an Straßenkreuzungen und in Kellerräumen. Sie
spielten nachmittags auf einem Kinderfest und am gleichen
Abend auf dem "Avantgarde-Festival". Ihre Konzerte waren
immer einmalig.
Überraschenderweise nahmen viele internationale Künstler wie
Danielle de Picciotto, die Sängerin der "Slits"- Ari Up,
Matthias Schuster ("Geisterfahrer"), dem niederländischen
Experimentalgitarristen Lukas Simonis und der Hamburger
Taikotrommelerkapelle „PTP" an der Idee einer ungewöhnlichen
Remix-CD teil. Als weitere Variante wurden über die Musik
hinaus auch Bilder und Fotos hierzu entwickelt.
2008 bis heute
Bei einem nicht angemeldeter bagio-Auftritt auf dem
"Avantgarde-Festival" kam es zu einer weiteren, für ihn
wichtige Bekanntschaft: Jean-Hervé Péron, einem Gründer der
Krautrocklegende "Faust". Die
Perfektion von bagio traf
auf das Chaos des "art-Errorist"
Péron. Er wurde eingeladen, mit Zappi Diermaier (Schlagwerk
und Flex), dem Keyboarder James Hodson, dem Gitarristen
James Johnson ("Nick Cave") und der irischen Künstlerin
Geraldine Sayne in der Band "Faust"
mitzuspielen. Auftritte, bei denen mit "Kettensägen" und
"Betonmischern" eine ungeheure Wucht an Energie im Chaos
endeten, waren faszinierend für ihn. "Es geht also doch,
eine Art "Punk" zu finden, der nicht "Punk-Rock"
ist." Dieses "Aufsprengen" der engen Grenzen in Musik und
Kunst fügte sich zu einem multimedialen Gesamtwerk zusammen.
Aus einem legendären Konzert in Paris, im "Point Éphèmére",
machte er seinen ersten Kino-Dokumentarfilm, "le piano fatigué". Und
obwohl er seit diesem Konzert ein lebenslanges
Auftrittsverbot dort hat, veranstaltete er die Premiere
dieses Films an genau diesem Ort.
Im Zeitraum von 3 Jahren lernte Uwe Bastiansen eine Fülle an
Musikern kennen, die im weitesten Sinn "Avantgarde" machen.
Er spielte u.a. mit Eberhard Kranemann ("Kraftwerk", "Neu"),
Jutta Weinhold ("Jane"), Damo Suzuki ("Can") einzelne
Konzerte. So kam es zu Bekanntschaften, die ihn auf die
aktuelle Idee von "stadtfisch" brachten. "stadtfisch"
ist ein Gesamtkunstwerk, welches "stadtfischflex"
und "stadtfischfilm" umfasst.
"stadtfischflex" sind "stadtfisch" Uwe Bastiansen und sein "flexible
orchestra", auf der ersten Veröffentlichung aus
dem Engländer Geoff Leigh ("Henry Cow"), dem Österreicher
Zappi Diermaier ("Faust"), den Franzosen J.-H. Péron
("art-Errorist") und Cathy Heyden ("Urban Sax"), den
Italienern Diego Pandiscia ("Underdog") und Diego
Vinciarelli ("Chaos Physique") und Sebastian Nagel ("The
Ape") bestehend. Hinzu gesellte sich neben Tim Hodgekinson
("John Zorn", "Fred Frith") erneut auch Irina Frederich, die
für das entsprechende Artwork sorgte. Das Album wurde live,
ohne vorherige Absprachen und Übungen an einem einzigen Tag
aufgenommen. Danach benötigte er mehr als 3 Monate, um das
gesamte in eine "hörbare" Form zu bringen.
2009 machte er im Zuge des Deutschen Kurzfilmfestival eine
fast 2-monatige Performance-Tournee durch China. Neben
Auftritten in Museen, Galerien und auf Dorffesten spielte er
auch an Universitäten. In Hong He bekam er eine
Ehrenprofessur dafür, dass er den Studenten erklärte, wie
man "atonale" Musik als Teil des Gesamtklangs verwertet.
Trotz der besorgten Augen der Professoren, die befürchteten,
er könne die zur Demonstration verwendeten Flügel ähnlich
wie in seinem Film "le piano fatigué"
einfach zerstören (was er nicht tat).
Beeinflusst durch diese Erlebnisse plant er jetzt, darüber
seinen nächsten Film "sack über kopf nach china" zu drehen. Er
wurde verzaubert von den Geschehnissen, die ausschließlich
spontan waren. Und es ist ihm wichtig zu zeigen, was sich
für eine Spannung in den Augen beider Parteien (Uwe
Bastiansen als Solo-Künstler und dem Publikum)
widerspiegelt. Neben dem neuen Film arbeitet er auch an der
zweiten "stadtfischflex" Veröffentlichung. Ebenso wie an
Livevertonungen von chinesischen Kinofilmen (z.B. "Die rote
Frauenarmee") mit der Hamburger Musikerin "Xyramat", die aus
dem Bereich der Computer-, Noise- und Soundmusik kommt.
Veröffentlichungen:
Band/Projekt | Vinyl/CD/DVD | Titel | Jahr |
Mask For | Vinyl | "Mask For" | 1984 |
CD | "All the world´s a stage" | 1992 | |
Missing Foundation | DVD | "Video Collection" | 1984/2010 |
stadtFisch | CD | "Puls" | 1993 |
CD | "Willkommen daheim" | 2001 | |
Maxi-CD | "Neuronic Org./stadtfilet" | 2005 | |
Maxi-CD | "Neuronic Org./deconstadtfisch" | 2005 | |
stadtfischflex | Mini-CD | "tanz den deutsch.l.a.n.d." | 2011 |
CD/Vinyl | "stadtfischflex" | 2011 | |
7"-Vinyl | "deutschland.e.d.i.t." | 2011 | |
CD | "Re:" | 2013 | |
CD | "Report" | 2014 | |
CD | "es tut mir alles so leid XXL" | 2014 | |
bagio | CD | "Unterm Durchschnitt (I)" | 2005 |
CD | "Gestern" | 2005 | |
CD | "Es geschah im Mai" | 2005 | |
Maxi-CD | "Neuronic Org./bagio" | 2005 | |
DVD | "Videos" | 2005 | |
CD | "II" | 2006 | |
CD/Video CD | "I", "II" und Live-Clips nur für Bücherhallen | 2007 | |
Video-CD | "Live-Clips" | 2006 | |
CD | "Intermezzo" | 2007 | |
Maxi-CD | "Neuronic Org./precore" | 2007 | |
CD | "remix" | 2008 | |
Abwärts | Mini-LP | "Mehr Alkohol" | 1988 |
Maxi-Vinyl | "Die Zeit" | 1989 | |
CD/Vinyl | "Ich seh´ die Schiffe den Fluss herunterfahren" | 1990 | |
7"-Vinyl | "Sonderzug zur Endstation" | 1990 | |
Maxi-CD | "Vorsicht" | 1991 | |
CD/Vinyl | "Comic-Krieg" | 1991 | |
Doppel-CD | "Breaking News" | 2006 | |
DVD | "Glam Slam" | 2008 | |
Station 17 | CD | "Genau so" | 1993 |
Twin Planets | CD | "Pleasure, wisdom & revelation" | 1994 |
Think Big | CD | "And she still" | 1995 |
Jaildog | CD | "Punkrock, HipHop and other obscure stories" | 1995 |
The portable Kingdom | CD | "The portable Kingdom" | 1998 |
Maxi-CD | "boy beats boy" | 1999 | |
Faust | DVD | "christian´s edition" | 2008 |
CD | "Schiphorst 2008" | 2008 | |
CD | "Festival Avantgarde" | 2008 | |
Doppel-CD | "Faust 2008" | 2008 | |
Vinyl | "10" | 2012 | |
CD |
"Oslo Rockefeller 2009" | 2016 | |
CD |
"Utrecht" | 2016 | |
CD/Vinyl |
"Daumenbruch" | 2022 | |
monobeat original | CD | "Arbeitstitel" | 2020 |
CD | "Rough Mixes" | 2021 | |
Hamburg Ramönes | CD | "Flying Saucers Over Hollywood" |
2020 |
Heinz Rudolf Kunze | CD | "Meisterwerke:Verbeugungen"
(Track: "Der Mussolini") |
2016 |
Compilations | Doppel-Vinyl | "Song and Legend" | 1987 |
CD | "Nazis raus!" | 1991 | |
CD | "Godfather´s of German Gothic" | 1995 | |
Doppel-CD | "Notes from the real Underground" | 2003 | |
CD | "Neuronic Org./from the inside" | 2005 | |
CD | "Neuronic Org./from the inside" | 2007 | |
CD | "Ox 72" | 2007 | |
CD | "The Ocean/Fake Magazine" | 2007 | |
CD | "Electro Arc 2" | 2007 | |
CD | "Kraut 4 Ever" | 2009 | |
DVD | "Kraut für Ewig" | 2009 | |
CD |
"Bargraft Festival Live" | 2011 | |
Vinylbox |
"Analog Love In Digital Times" | 2011 | |
Download | "CLASSWAR Karaoke" | 2012 | |
CD |
"Transzendieren Exzess Pop" | 2013 | |
CD |
"Fidel Bastro 20/A" | 2013 | |
stadtfischfilm | DVD | "le piano fatigué" | 2010 |
DVD | Kurzfilm "sack über kopf nach china" | 2012 |